Citizen Science Strategie 2025
Helfried Scheifinger, Alexander Podesser, Thomas Krennert
„In Citizen Science, a broad network of people collaborate. Participants provide experimental data and facilities for researchers, raise new questions and co-create a new scientific culture. While they add value, volunteers acquire new learning and skills and gain a deeper understanding of the scientific work in appealing ways. As a result of this open, networked and transdisciplinary scenario, science-society-policy interactions are improved, leading in turn to a more democratic research based on evidence and informed decision-making.“
Aus White Paper on Citizen Science for Europe, socientize – European Comission
(Siehe auch https://www.citizen-science.at/eintauchen/was-ist-citizen-science)
Die GeoSphere Austria blickt auf eine lange Tradition der Citizen Science (BürgerInnen-Wissenschaften) zurück.
Die Aufzeichnungen des Wetterverlaufes, der Witterung, des Klimas, der Phänologie und von Erdbebenaktivitäten stammten bis zur Einführung automatischer Messsysteme nahezu ausschließlich von freiwilligen BeobachterInnen.
Auch heute ist die Hilfe von freiwilligen BeobachterInnen (Spottern) bei der Beantwortung von aktuellen Forschungsfragen unverzichtbar, die wertvolle Daten für die Forschung auf lokaler Ebene liefern. Diese Daten ergänzen oder ermöglichen die Forschung sogar erst, da die Vielzahl lokaler Daten mit vorhandenen Kapazitäten häufig nicht erhoben werden kann.
Citizen Scientists sind Laien, Schüler, Auszubildende, Interessierte und EnthusiastInnen mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen, aber mit hohem Interesse an Wissenschaft und einer starken Faszination für ein wissenschaftliches Fachgebiet. Einige von ihnen sind nach langen Jahren der Beobachtung selbst ExpertInnen geworden.
In vielen Bereichen liefert die Bevölkerung der GEOSPHERE AUSTRIA seit Jahren wichtige Informationen für die Forschung. Beispielsweise mit Berichten über Wetter, Extremwetter und deren Auswirkungen, dem Erdbeben-Wahrnehmungsformular, mit phänologischen Beobachtungen für die Klimaforschung sowie in gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten mit Schulen.
Durch technologische Innovationen, wie dem Internet und Smartphones haben sich die technischen und methodischen Möglichkeiten im Bereich Citizen Science während der letzten Jahre weiter potenziert.
Die GEOSPHERE AUSTRIA betrachtet Citizen Science als wertvolle Methodik zur Ergänzung und Weiterentwicklung Ihrer Tätigkeiten, um den wachsenden Anforderungen der Gesellschaft an einen Nationalen Wetter und Geophysikalischen Dienst gerecht zu werden.
Die folgenden Ziele stehen im Einklang mit der Strategie der GEOSPHERE AUSTRIA. Die Citizen Science Aktivitäten bieten die, in den letzten Jahren zunehmend genutzte Möglichkeit, abteilungsübergreifend in temporären und thematisch breit gestreuten Projekten gemeinsam mit den NutzerInnen und einer interessierten Öffentlichkeit zu arbeiten. Die GEOSPHERE AUSTRIA bündelt ihre Expertise in allen Aktivitäten um die folgenden Ziele zu erreichen:
- Crowdsourcing von Informationen gewährleisten und verbessern
- Erfolgreiche Integration der Beobachtungen in die Systeme der GEOSPHERE AUSTRIA sicherstellen
- „Partizipative Wissenschaft“ vorantreiben
- GEOSPHERE AUSTRIA Open Labs
- Open Innovation
- Outreach - die GEOSPHERE AUSTRIA als Ansprechpartner für die Themenbereiche Wetter und Klimasystem, Klimawandel, Umweltmeteorologie und Geophysik weiter etablieren
- Die Resilienz der Bevölkerung erhöhen
- Die Rolle der GEOSPHERE AUSTRIA als Kompetenzzentrum für Citizen Science stärken
Die 8 Ziele im Detail:
Ziel 1:
Crowdsourcing von Informationen gewährleisten und verbessern
Beobachtungen und Informationen von meteorologischen und geophysikalischen Ereignissen (z.B. Extremwetter, Hochwasser, Erdbeben, Muren, Lawinen, Steinschlag) und deren Auswirkungen sind für die Erstellung und Verifikation von auswirkungsorientierten Warnungen notwendig. Crowdsourcing dieser Informationen gewinnt immens an Bedeutung, die prinzipiell in 3 Kategorien unterteilt werden kann.
- Crowdsourcing von Messungen: Sammlung und Aufbereitung der Messdaten privater- und mobiler Stationen, die auf Plattformen zur Verfügung gestellt werden. Moderne Sensoren (beispielsweise in Fahrzeugen oder Heizungsanlagen verbaut) sind direkt mit dem Internet verbunden (IOT) und liefern eine Vielzahl direkter oder indirekter Messdaten.
- Datenanalyse in sozialen Netzwerken: Die relevante Information über Ereignisse und deren Auswirkungen kann mit Hilfe innovativer Methoden aus Einträgen in sozialen Netzwerken extrahiert werden.
- Crowdsourcing von menschlichen Beobachtungen: Die GEOSPHERE AUSTRIA wird auf nationaler und internationaler Ebene an der Entwicklung von Meldeplattformen und der Harmonisierung der Meldekriterien mitwirken. Im Rahmen der Kooperation des Trusted Spotter Netzwerkes soll der österreichische Standard der Wetter und Unwetter- Meldeparametern inklusive Qualitätsmanagement und das österreichischen TSN Ausbildungskonzept auf die europäische Ebene übertragen werden. Damit kommt es zu einer fundamentalen Verbesserung der Qualität der eingehenden Wetter- und Unwettermeldungen als auch der Ausbildung der Beobachter und Reporter in ganz Europa. Im Bereich der Phänologie ist die GEOSPHERE AUSTRIA mit der Smartphone-App Naturkalender bei den Beobachtungstools eine der treibenden Kräfte bei der Entwicklung von Standards und möchte diese im Rahmen des Pan European Phenological Networks (PEP725) in ganz Europa verankern. Zusätzlich ist die Zusammenarbeit mit den über 20 Partnerorganisationen von PEP725 auf die Entwicklung von Datenstandards und Austauschformaten fokussiert.
Ziel 2:
Erfolgreiche Integration der Beobachtungen in die Systeme der GEOSPHERE AUSTRIA sicherstellen
Durch Crowdsourcing stehen der GEOSPHERE AUSTRIA eine Vielzahl von neuen Informationen zur Verfügung. Die Herausforderung besteht künftig in der erfolgreichen Integration dieser Informationen in die Systeme (Modellkette, Nowcasting) und Abläufe (z.B. Wettervorhersage) an der GEOSPHERE AUSTRIA. Crowdsourcing erhöht die Anzahl und Verfügbarkeit von Messdaten um ein Vielfaches. Neuartige direkte und abgeleitete Messwerte werden künftig in die Vorhersagemodelle assimiliert, Trusted Spotter Reports (z.B. Hagel) in die Nowcastingsysteme. Angesichts der immer wichtiger werdenden auswirkungsbezogenen Wetterprognosen und Warnungen wird ein Echtzeit – Feedbackloop aufgebaut. Aktuelle Informationen und Bilder von Ereignissen und Auswirkungen stehen direkt den Meteorologen und Meteorologinnen der GEOSPHERE AUSTRIA zur Verfügung, die zur Verbesserung der Warnungen und Prognosen verwendet werden. Beobachtungen der Ereignisse und deren Auswirkungen stehen in Echtzeit für die Wetterprognose zur Verfügung. Diese neu gewonnenen Datensätze sind zusätzlich für Ereignisanalysen und die Schaffung von Ereignis- und Impact Datenbanken von großer Bedeutung.
Ziel 3:
„Partizipative Wissenschaft" vorantreiben
Die Bevölkerung soll bereits bei der Entwicklung der Frage- oder Problemstellung sowie der Datensammlung eingebunden werden. AmateurInnen nehmen Veränderungen in ihrer Umgebung sehr schnell wahr und können diese Daten durch Citizen Science Projekte an WissenschaftlerInnen weitergeben, wo sie entsprechend aufbereitet und veröffentlicht werden. So kann eine Zusammenarbeit in einem Citizen Science Projekt zu einer raschen Lösung eines Problems oder zur effizienten Erkennung einer Veränderung in der Öffentlichkeit beitragen. In diesem Bereich sind die meisten Citizen Science Projekte der GEOSPHERE AUSTRIA zu den Themen Erdbeben, Phänologie und Interpretation von Wetterereignissen angesiedelt.
Ziel 4:
„GEOSPHERE AUSTRIA Open Labs“
Die gemeinsame Forschung mit Interessierten wird ermöglicht. An der GEOSPHERE AUSTRIA soll ein Ort des Dialogs und der Begegnung zwischen angewandter Wissenschaft und Öffentlichkeit geschaffen werden, um die tägliche Forschungsarbeit allgemein zugänglich zu machen. Die Vermittlung der Folgen des Klimawandels in Form von Workshops, beim Besuch des Science Parks und bei eigens dafür konzipierten Veranstaltungen sind speziell zu nutzende Möglichkeiten sowohl für die Inputgenerierung als auch die gemeinsame Gestaltung von Forschungs- und Kommunikationsthemen.
Ziel 5:
„Open Innovation“ leben
Der Begriff Open Innovation bezeichnet die Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen zur Vergrößerung des Innovationspotenzials. Open Innovation erlaubt breit gestreutes Wissen zu erschließen und die Bedürfnisse der Nutzer der GEOSPHERE AUSTRIA Dienstleistungen und der Öffentlichkeit in den Innovationsprozess einzubinden. Konkret wird das an der GEOSPHERE AUSTRIA in eigens konzipierten „Hackathons“ umgesetzt werden.
Ziel 6:
Outreach – die GEOSPHERE AUSTRIA als Ansprechpartner für die Themenbereiche Wetter und Klimasystem, Klimawandel, Umweltmeteorologie und Geophysik etablieren Informieren, interessieren, involvieren
Die GEOSPHERE AUSTRIA informiert aktiv die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeiten, um sie auch für Wissenschaft im Allgemeinen und die Themenfelder der GEOSPHERE AUSTRIA im Speziellen zu interessieren und sie damit auch im besten Falle in die wissenschaftliche Tätigkeit zu involvieren. Die Zusammenarbeit mit Schulen (z.B. Sparkling Science) wird forciert. Schülerinnen und Schüler erhalten die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Arbeit abseits der Schule und nehmen als Multiplikatoren eine wichtige Rolle in der Kommunikation von Wissenschaft in der Bevölkerung ein. Der Besuch an der GEOSPHERE AUSTRIA soll Menschen aller Altersstufen dazu anregen in die faszinierende Welt der Meteorologie, Klimaforschung, Umweltmeteorologie und Geophysik einzutauchen. Führungen werden für alle Altersgruppen und interessenspezifisch auch mit besonderen Schwerpunkten angeboten. Seit 2015 können BesucherInnen die Wissenschaft im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“. Im Wissenspark testen Besucher an interaktiven Stationen ihr Wissen und erwerben neues. Der GEOSPHERE AUSTRIA Wissenspark wird mit einem Besucherzentrum und neue Stationen in Wien und zusätzlichen Stationen an den Standorten in den Bundesländern laufend erweitert. Die Methoden des „Microlearnings“ werden für den Wissenspark in einer APP implementiert. Wissen wird spielerisch im Langzeitgedächtnis verankert, durch den Einsatz einer Online-Plattform kann Wissen ständig erworben werden. Der Wissenspark ist ein wichtiger Hub für die Wissenschaftskommunikation und eine Schnittstelle für die Zusammenarbeit mit anderen Partnern sowohl im Bereich Citizen Science als auch als Bildungsstätte für Interessierte. Damit wird die Tradition der Wissensvermittlung und Einbeziehung der BürgerInnen in die Tätigkeiten der GEOSPHERE AUSTRIA weiter forciert.
Ziel 7:
Resilienz der Bevölkerung erhöhen (Citizen Resilience)
Die GEOSPHERE AUSTRIA unterstützt alle Bemühungen Bürgerinnen und Bürger auf Krisensituationen vorzubereiten und deren Auswirkungen möglichst zu minimieren. Prognosen und Warnungen auf dem Stand der aktuellen Wissenschaft und Technik und eine Integration in das SKKM helfen vor allem Menschenleben zu sichern und Schäden der häufiger werdenden extremen Wetterlagen zu minimieren. Entsprechende Resilienz bei der Bevölkerung aufzubauen ist ein gesellschaftlicher Auftrag an die GEOSPHERE AUSTRIA.
Die GEOSPHERE AUSTRIA informiert und sensibilisiert die Bevölkerung über die Auswirkungen des Wetters und des Klimawandels. Die Auswirkungen von Klimaänderungen sind ein wirtschaftspolitischer Angelpunkt wo optimierte Entscheidungen über die Kosten und Nutzen von Anpassungsmaßnahmen getroffen werden müssen.
Ziel 8:
Die Rolle der GEOSPHERE AUSTRIA als Kompetenzzentrum für Citizen Science stärken
Mit der im Haus vorhandenen Expertise und der Initiativen und Projekte hat sich die GEOSPHERE AUSTRIA erfolgreich als Kompetenzzentrum für Citizen Science etabliert. Die breite thematische Streuung der Projekte und Kooperationen ermöglicht die Zusammenführung der resultierenden Erfahrungen, die einen unschätzbaren Wert darstellen. Die an der GEOSPHERE AUSTRIA erarbeiteten „best practices“ haben Vorbildcharakter und stoßen national und international auf Beachtung. Die Citizen Science Aktivitäten sind somit ein wesentlicher Teil der Aufgaben der GEOSPHERE AUSTRIA, der künftig weiter forciert werden muss.
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